TEXTE
Dialog
Sein Gesicht schaut aus wie immer. Ernst, traurig und düster.
Er bat sie zu sprechen aber sie tat es nicht. Er verstand irgendwie, dass sie nicht sprechen
musste, um mit ihm zu kommunizieren.
Er verbarg seinen Zorn. Atmete, zog einen Stuhl heran und setzte sich in ihre Nähe.
Er erzählte ihr, dass er den Mond jahrzehntelang besetzte, bevor die Steine des Mondes gegen
ihn rebellierten und ihn zerdrückten.
Er erzählte ihr, wie störend das Schreien der Steine während der Revolution war.
Er erzählte ihr von dem Pokerspiel mit den Göttern.
Er erzählte ihr, dass er den Mount Everest bestieg, um den Fliegen zu entkommen, und dass
ihn oben die größte Fliege der Welt störte.
Und wie er, als er von oben herabstieg, weiße Wolken entführte und sie im Keller seines
Hauses folterte, damit sie gestehen.
Die Art und Weise, wie er ihr erzählte, war nicht dieselbe, wie er eine Geschichte erzählen
würde, sondern sie ähnelte einem Anspruch, der auf eine Gegenleistung wartet. Er erzählte wie
jemand, der etwas enthüllt, um eine Entschädigung zu erhalten.
Er stand auf, versuchte seinen Ärger zu verbergen, zog seinen Stuhl heran und setzte sich zu
ihrer Linken.
Er erzählte ihr, dass er nachts ausgehen würde, um die Sterne in einer Baumwolltasche zu
sammeln und dann würde er nach Hause gehen und die Sterne eine Woche trocknen lassen.
Wenn die Zeit für das Pflanzen gekommen war, würde er das Land pflügen und die Sterne
streuen und nach 3 Monaten würden Sternrosen wachsen, die mit ihrer Leichtigkeit mit jeder
Seele flogen, um an ihren Platz am Himmel zurückzukehren.
Er erzählte ihr von lustigen Analysen und Theorien, um das Verschwinden der Sterne zu
rechtfertigen.
Er erzählte ihr, dass er ein Feuer im Regen angezündet hat, mit nassen Holzstöcken und ganz
ohne Streichhölzer.
Er erzählte ihr, wie er dreimal gemartert wurde und noch lebte.
Er erzählte ihr, dass er, während er auf dem Meer war, einen Wal überzeugte, dass die Wale
fliegen könnten.
Er erzählte ihr, dass er, als ihn die Sonne nervte, auf das Sonnengesicht spuckte.
Und, dass er in einen seiner Lungenflügel gestochen hat, um den Luftverbrauch zu senken.
Und erzählte und erzählte und erzählte …
Plötzlich, während er noch erzählte
Unterbrach sie ihn
Sie sagte ihm:
»Du bist sehr traurig. Du hast seit sehr langer Zeit nicht mehr gelächelt!
Lächle!
Es gibt nichts Schöneres als wenn ein trauriger Mann lächelt!
Es gibt nichts Schöneres als das Lächeln einer Person, die selten lächelt.«
Und er
Stand auf
Lächelte
Und lief weg …
Dialog
Sein Gesicht schaut aus wie immer. Ernst, traurig und düster.
Er bat sie zu sprechen aber sie tat es nicht. Er verstand irgendwie, dass sie nicht sprechen
musste, um mit ihm zu kommunizieren.
Er verbarg seinen Zorn. Atmete, zog einen Stuhl heran und setzte sich in ihre Nähe.
Er erzählte ihr, dass er den Mond jahrzehntelang besetzte, bevor die Steine des Mondes gegen
ihn rebellierten und ihn zerdrückten.
Er erzählte ihr, wie störend das Schreien der Steine während der Revolution war.
Er erzählte ihr von dem Pokerspiel mit den Göttern.
Er erzählte ihr, dass er den Mount Everest bestieg, um den Fliegen zu entkommen, und dass
ihn oben die größte Fliege der Welt störte.
Und wie er, als er von oben herabstieg, weiße Wolken entführte und sie im Keller seines
Hauses folterte, damit sie gestehen.
Die Art und Weise, wie er ihr erzählte, war nicht dieselbe, wie er eine Geschichte erzählen
würde, sondern sie ähnelte einem Anspruch, der auf eine Gegenleistung wartet. Er erzählte wie
jemand, der etwas enthüllt, um eine Entschädigung zu erhalten.
Er stand auf, versuchte seinen Ärger zu verbergen, zog seinen Stuhl heran und setzte sich zu
ihrer Linken.
Er erzählte ihr, dass er nachts ausgehen würde, um die Sterne in einer Baumwolltasche zu
sammeln und dann würde er nach Hause gehen und die Sterne eine Woche trocknen lassen.
Wenn die Zeit für das Pflanzen gekommen war, würde er das Land pflügen und die Sterne
streuen und nach 3 Monaten würden Sternrosen wachsen, die mit ihrer Leichtigkeit mit jeder
Seele flogen, um an ihren Platz am Himmel zurückzukehren.
Er erzählte ihr von lustigen Analysen und Theorien, um das Verschwinden der Sterne zu
rechtfertigen.
Er erzählte ihr, dass er ein Feuer im Regen angezündet hat, mit nassen Holzstöcken und ganz
ohne Streichhölzer.
Er erzählte ihr, wie er dreimal gemartert wurde und noch lebte.
Er erzählte ihr, dass er, während er auf dem Meer war, einen Wal überzeugte, dass die Wale
fliegen könnten.
Er erzählte ihr, dass er, als ihn die Sonne nervte, auf das Sonnengesicht spuckte.
Und, dass er in einen seiner Lungenflügel gestochen hat, um den Luftverbrauch zu senken.
Und erzählte und erzählte und erzählte …
Plötzlich, während er noch erzählte
Unterbrach sie ihn
Sie sagte ihm:
»Du bist sehr traurig. Du hast seit sehr langer Zeit nicht mehr gelächelt!
Lächle!
Es gibt nichts Schöneres als wenn ein trauriger Mann lächelt!
Es gibt nichts Schöneres als das Lächeln einer Person, die selten lächelt.«
Und er
Stand auf
Lächelte
Und lief weg …
Freiheit
Sonntag 08.12.2024
Ich wachte auf nach einer Nacht, in der ich vielleicht nur zwei Stunden geschlafen hatte. Mein
Arm griff automatisch nach dem Handy, das ebenso wenig Ruhe bekommen hatte wie ich. Ich
öffnete die Nachrichtenseiten und las:
„Das syrische Volk stürzt das Regime von Baschar al-Assad!“
Ich war fassungslos, als ich die Schlagzeile las. Ich begann, die Nachricht aus verschiedenen
Quellen zu überprüfen, denn ich konnte kaum glauben, was ich sah:
„Freies Syrien!“
„Baschar al-Assad flieht nach Russland!“
„Seht den Moment, in dem die Gefangenen aus den Gefängnissen des Regimes befreit
werden!“
Ich weinte.
Es war acht Uhr morgens. Mein kleiner Sohn, zwei Jahre und drei Monate alt, wachte auf und
rannte eilig in mein Zimmer, denn er liebte es, mich an freien Tagen zu wecken. Ich tat so, als
ob ich noch schliefe, um ihn nicht zu enttäuschen.
»Papa, wach auf, es ist Morgen!«
Ich öffnete meine roten Augen und lächelte ihm entgegen, versuchte, meine Tränen zu
verbergen. Er gab mir einen Kuss auf die Wange.
»Warum sind deine Augen rot?« Fragte er.
Ich sagte ihm, es läge am Schlaf und fügte dann spontan hinzu:
»Papa, jetzt hast du ein eigenes Land!«
Er wiederholte das Wort: »Land … Land.«
Ein neues Wort für ihn, das ihm offensichtlich gefiel. Er rannte herum, wiederholte es immer
wieder und kam dann strahlend zu mir zurück.
Ich fragte ihn: »Freiheit – weißt du, was das bedeutet?«
Er überraschte mich und antwortete: »Ja, ich weiß!«
»Was bedeutet es?« Fragte ich ihn.
Er dachte kurz nach und sagte dann mit seiner kindlichen Stimme:
»Freiheit ist Wind, ein starker Wind, wuuuussssch – und Licht!«
Seine Antwort überwältigte mich. Warum hatte ich ihn das nicht früher gefragt? Wie passend,
wie tröstlich, wie spontan und doch tiefgründig war seine Definition.
Ich stand auf und nahm meinen Sohn in die Arme. Meine Frau bereitete den Morgenkaffee zu.
Ich umarmte sie lange und sagte:
»Wir sind keine syrischen Flüchtlinge mehr! Wir sind nur noch Syrer! Wir können nach Syrien
zurückkehren! Ich habe wieder Hoffnung, in Damaskus begraben zu werden, wenn ich sterbe!
Das Regime ist weg!«
Wir tranken gemeinsam Kaffee. Mein Sohn frühstückte. Dann sagte ich zu meiner Frau:
»Ich muss gehen!«
»Wohin?« Fragte sie.
»Ich muss über Syrien schreiben!« Antwortete ich.
Ich zog mich schnell an, nahm ein Notizbuch und einen Stift mit und sagte meinem Sohn, ich
würde nicht lange wegbleiben.
Auf der Straße suchte ich nach einem Ort, an dem ich sitzen konnte – ein Café oder Ähnliches.
Doch es war Sonntag, und die meisten Cafés waren geschlossen. Ich schlenderte durch die
Straßen der österreichischen Stadt und verspürte ein seltsames Gefühl. Es war, als ob ich alles
mit neuen Augen sah. Jede Kleinigkeit schien mir eine neue Bedeutung zu geben –, die
Gebäude, die Straßen, die Autokennzeichen, die Sprache auf den Schildern, die
Straßennamen. Alles erschien mir aus einer neuen Perspektive. War es, weil ich kein Flüchtling
mehr war? Weil ich nun die Wahl hatte? Weil ich jetzt ein Land hatte? Weil ich zurückkehren
konnte? Ich wusste es nicht, aber die neue Sichtweise gefiel mir.
Schließlich fand ich ein Café, trat ein und bestellte eine Tasse Kaffee. Ich wollte schreiben, doch
der Strom meiner Gefühle war heute überwältigend. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
Eine Frau betrat das Café. Sie wählte einen Tisch direkt gegenüber von meinem. Sie nahm
ihren Schal ab und hängte ihn über die Stuhllehne. Dann zog sie ihren langen Mantel aus,
ähnlich den Mänteln, die die Soldaten der ehemaligen Sowjetunion trugen –, ein langer,
olivgrüner Mantel. Sie wirkte nervös, als ob sie vor etwas fliehen würde, doch sie versuchte, ihre
Nervosität mit einem starken, scharfen Blick zu verbergen. Was für schöne Augen sie hatte!
Ihr schlichtes, weißes Kleid ohne jegliche Details irritierte mich. Es war ein langärmeliges
Baumwollkleid.
Mit einer achtlosen Geste warf sie den schweren Mantel auf den Stuhl, zog ihn heraus und
setzte sich. Sie bestellte eine Tasse Kaffee.
Ihre Finger klopften auf die Tischplatte, während sie auf ihren Kaffee wartete. Doch ihr Klopfen
passte nicht zur sanften klassischen Musik, die der Cafébetreiber abspielte. Ihre Finger spielten
eine eigene Melodie, und ihre Lippen summten ein Lied. Ich konzentrierte mich darauf, um
herauszufinden, was sie summte, um die Melodie zu erkennen, die ihre Finger auf der
Tischplatte spielten. Der Kellner kam und brachte ihr den Kaffee.
Wie auffallend war diese Frau und wie überwältigend ihre Ausstrahlung. Sie hob die
Kaffeetasse mit beiden Händen und nippte daran mit einem Genuss, den ich förmlich spüren
konnte.
Ihr Haar, lang und unregelmäßig gelockt, war so dunkel wie die Wüstennacht. Ihre großen,
schwarzen Augen waren von einem dicken arabischen Kajal umrahmt, und ihre Augenbrauen
glichen präzise geschmiedeten Damaszener Schwertern. Von ihren Ohren hingen goldene
Ohrringe, deren Farbe an getrocknete Weizenähren erinnerte – Ohrringe, die wie Kronleuchter
wirkten, die in alten Moscheen von der Decke hingen.
Während ich sie anstarrte, hob sie ihren Blick, und unsere Augen trafen sich. Ihr Blick war
scharf und durchdringend, obwohl ihre tief verborgene Unsicherheit deutlich erkennbar war.
Dieser Blick ließ die Zeit für mich stillstehen, zog meine Seele kurz zu sich, nur um sie
freizugeben, als sie lächelte.
Sie stellte die Tasse zurück auf den Unterteller, erhob sich entschieden und kam auf mich zu.
Ich war verwirrt. Mit ihrer eigenartigen, uralten Stimme sagte sie zu mir:
»Komm mit!«
Sie nahm meine Hand und zog mich mit sich, bis ich mich plötzlich mit ihr in einem Zimmer
wiederfand. Das plötzliche Ankommen versetzte mich in einen Zustand völligen Erstaunens!
Das Zimmer war alt, die Wände waren baufällig. Es gab keine Lichtquelle, und doch konnte ich
alles deutlich sehen. Sie stand in der Mitte des Zimmers, hinter ihr ein kleines Fenster mit
geschlossenen Vorhängen. Rechts befand sich ein hölzernes Bett mit einer einfachen weißen
Decke. Der Boden, auf dem sie stand, war mit einem antiken, orientalischen Teppich bedeckt,
der Geschichte verströmte. Von der Decke hing ein Kronleuchter, der ihren Ohrringen ähnelte.
Links stand ein quadratischer Holztisch mit einem Holzstuhl. Auf dem Tisch befand sich ein mit
Wasser gefüllter Krug aus zartem Glas und ein einfacher leerer Becher. An derselben Wand wie
der Tisch stand ein Kleiderschrank aus Holz mit zwei Türen und messingfarbenen Griffen, die
wie Weizenähren geformt waren.
Sie überraschte mich, indem sie fragte: »Was bedeutet Freiheit?«
Ich, noch immer im Schockzustand, antwortete unüberlegt: »Ich weiß es nicht!«
Dann besann ich mich und sagte: »Doch, ich weiß es. Mein kleiner Sohn hat es mir heute
erklärt. Freiheit bedeutet Wind, ein starker Wind, wuuuusch, und Licht.«
Meine Antwort veränderte ihre Mimik. Sie lachte kindlich und drehte sich wie ein Kind im Kreis,
genauso wie mein kleiner Sohn es oft tat. Sogar ihre Gesichtszüge und Bewegungen wurden
kindlich. Sie drehte sich, bis sie das Fenster erreichte, öffnete die Vorhänge, und plötzlich
strömte ein unerwartetes, warmes Licht hinein, das ihr Haar zum Leuchten brachte. Sie öffnete
das Fenster, sodass eine erfrischende Brise hereinkam, die sie dazu einlud, die Augen zu
schließen und tief durchzuatmen. Mit einem Blick signalisierte sie mir, mich auf die Bettkante zu
setzen, was ich auch tat. Sie lief mit tanzenden Schritten auf den Schrank zu und öffnete ihn.
Sofort kehrte ihre verborgene Unsicherheit zurück, und die kindliche Leichtigkeit verschwand.
Der Duft, der den Raum erfüllte, als sie den Schrank öffnete, berauschte mich. Ein Duft, der
meine Seele berührte, der mir den Wunsch gab, sie für immer zu umarmen, ihre Lippen für
immer zu küssen.
Sie sagte zu mir: »Ich muss gehen! Aber ich weiß nicht, was ich anziehen soll!«
Ich blieb sprachlos und staunend.
Sie holte ein traditionelles, damaszener Kleid heraus und zog es im Handumdrehen an. Das
Kleid strotzte vor Leben, als wäre sein Stoff lebendig!
Verlegen, während sie ihr Haar mit ihren Händen richtete, fragte sie mich: »Wie findest du es?«
Ich antwortete: »Wunderschön.«
Sie lächelte höflich, holte ein schwarzes, weites und langes Kleid heraus, das einer Abaya
ähnelte, und zog es samt Kapuze über den Kopf. Sie fragte mich mit ihrem Blick, während sie
die Kapuze über ihren Kopf zog: »Wie findest du es?«
Ich antwortete: »Du wirkst verwirrt … Warum?«
Entschlossen schritt sie zum Fenster, schloss es, zog die Vorhänge zu. Schnell zog sie ihr
einfaches, weißes Baumwollkleid ohne jegliche Details an und sagte zu mir:
»Ich muss gehen. Wir sehen uns bald, einverstanden?«
Ich antwortete: »Einverstanden.«
Sie öffnete die Tür, und ein strahlendes Licht zog mich mit sich. Plötzlich fand ich mich wieder
auf meinem Stuhl im Café, den Kugelschreiber zwischen meinen Fingern, das Blatt vor mir noch
immer leer. Der Kellner kam und fragte mich: »Alles in Ordnung bei Ihnen? Möchten Sie noch
eine Tasse Kaffee?«
Mit einer Handbewegung signalisierte ich, dass ich bezahlen wollte. Ich schaute zum
gegenüberliegenden Tisch, fand ihn jedoch leer. Ich trank den letzten Schluck meines Kaffees,
bezahlte, stand auf und verließ das Café. Die Sonne durchbrach den Schleier einer Wolke,
strahlte mit voller Kraft und schenkte mir Wärme. Eine kühle Brise küsste sanft mein Gesicht,
und mit einem Lächeln auf den Lippen trat ich den Heimweg an.
Freiheit
Sonntag 08.12.2024
Ich wachte auf nach einer Nacht, in der ich vielleicht nur zwei Stunden geschlafen hatte. Mein
Arm griff automatisch nach dem Handy, das ebenso wenig Ruhe bekommen hatte wie ich. Ich
öffnete die Nachrichtenseiten und las:
„Das syrische Volk stürzt das Regime von Baschar al-Assad!“
Ich war fassungslos, als ich die Schlagzeile las. Ich begann, die Nachricht aus verschiedenen
Quellen zu überprüfen, denn ich konnte kaum glauben, was ich sah:
„Freies Syrien!“
„Baschar al-Assad flieht nach Russland!“
„Seht den Moment, in dem die Gefangenen aus den Gefängnissen des Regimes befreit
werden!“
Ich weinte.
Es war acht Uhr morgens. Mein kleiner Sohn, zwei Jahre und drei Monate alt, wachte auf und
rannte eilig in mein Zimmer, denn er liebte es, mich an freien Tagen zu wecken. Ich tat so, als
ob ich noch schliefe, um ihn nicht zu enttäuschen.
»Papa, wach auf, es ist Morgen!«
Ich öffnete meine roten Augen und lächelte ihm entgegen, versuchte, meine Tränen zu
verbergen. Er gab mir einen Kuss auf die Wange.
»Warum sind deine Augen rot?« Fragte er.
Ich sagte ihm, es läge am Schlaf und fügte dann spontan hinzu:
»Papa, jetzt hast du ein eigenes Land!«
Er wiederholte das Wort: »Land … Land.«
Ein neues Wort für ihn, das ihm offensichtlich gefiel. Er rannte herum, wiederholte es immer
wieder und kam dann strahlend zu mir zurück.
Ich fragte ihn: »Freiheit – weißt du, was das bedeutet?«
Er überraschte mich und antwortete: »Ja, ich weiß!«
»Was bedeutet es?« Fragte ich ihn.
Er dachte kurz nach und sagte dann mit seiner kindlichen Stimme:
»Freiheit ist Wind, ein starker Wind, wuuuussssch – und Licht!«
Seine Antwort überwältigte mich. Warum hatte ich ihn das nicht früher gefragt? Wie passend,
wie tröstlich, wie spontan und doch tiefgründig war seine Definition.
Ich stand auf und nahm meinen Sohn in die Arme. Meine Frau bereitete den Morgenkaffee zu.
Ich umarmte sie lange und sagte:
»Wir sind keine syrischen Flüchtlinge mehr! Wir sind nur noch Syrer! Wir können nach Syrien
zurückkehren! Ich habe wieder Hoffnung, in Damaskus begraben zu werden, wenn ich sterbe!
Das Regime ist weg!«
Wir tranken gemeinsam Kaffee. Mein Sohn frühstückte. Dann sagte ich zu meiner Frau:
»Ich muss gehen!«
»Wohin?« Fragte sie.
»Ich muss über Syrien schreiben!« Antwortete ich.
Ich zog mich schnell an, nahm ein Notizbuch und einen Stift mit und sagte meinem Sohn, ich
würde nicht lange wegbleiben.
Auf der Straße suchte ich nach einem Ort, an dem ich sitzen konnte – ein Café oder Ähnliches.
Doch es war Sonntag, und die meisten Cafés waren geschlossen. Ich schlenderte durch die
Straßen der österreichischen Stadt und verspürte ein seltsames Gefühl. Es war, als ob ich alles
mit neuen Augen sah. Jede Kleinigkeit schien mir eine neue Bedeutung zu geben –, die
Gebäude, die Straßen, die Autokennzeichen, die Sprache auf den Schildern, die
Straßennamen. Alles erschien mir aus einer neuen Perspektive. War es, weil ich kein Flüchtling
mehr war? Weil ich nun die Wahl hatte? Weil ich jetzt ein Land hatte? Weil ich zurückkehren
konnte? Ich wusste es nicht, aber die neue Sichtweise gefiel mir.
Schließlich fand ich ein Café, trat ein und bestellte eine Tasse Kaffee. Ich wollte schreiben, doch
der Strom meiner Gefühle war heute überwältigend. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte.
Eine Frau betrat das Café. Sie wählte einen Tisch direkt gegenüber von meinem. Sie nahm
ihren Schal ab und hängte ihn über die Stuhllehne. Dann zog sie ihren langen Mantel aus,
ähnlich den Mänteln, die die Soldaten der ehemaligen Sowjetunion trugen –, ein langer,
olivgrüner Mantel. Sie wirkte nervös, als ob sie vor etwas fliehen würde, doch sie versuchte, ihre
Nervosität mit einem starken, scharfen Blick zu verbergen. Was für schöne Augen sie hatte!
Ihr schlichtes, weißes Kleid ohne jegliche Details irritierte mich. Es war ein langärmeliges
Baumwollkleid.
Mit einer achtlosen Geste warf sie den schweren Mantel auf den Stuhl, zog ihn heraus und
setzte sich. Sie bestellte eine Tasse Kaffee.
Ihre Finger klopften auf die Tischplatte, während sie auf ihren Kaffee wartete. Doch ihr Klopfen
passte nicht zur sanften klassischen Musik, die der Cafébetreiber abspielte. Ihre Finger spielten
eine eigene Melodie, und ihre Lippen summten ein Lied. Ich konzentrierte mich darauf, um
herauszufinden, was sie summte, um die Melodie zu erkennen, die ihre Finger auf der
Tischplatte spielten. Der Kellner kam und brachte ihr den Kaffee.
Wie auffallend war diese Frau und wie überwältigend ihre Ausstrahlung. Sie hob die
Kaffeetasse mit beiden Händen und nippte daran mit einem Genuss, den ich förmlich spüren
konnte.
Ihr Haar, lang und unregelmäßig gelockt, war so dunkel wie die Wüstennacht. Ihre großen,
schwarzen Augen waren von einem dicken arabischen Kajal umrahmt, und ihre Augenbrauen
glichen präzise geschmiedeten Damaszener Schwertern. Von ihren Ohren hingen goldene
Ohrringe, deren Farbe an getrocknete Weizenähren erinnerte – Ohrringe, die wie Kronleuchter
wirkten, die in alten Moscheen von der Decke hingen.
Während ich sie anstarrte, hob sie ihren Blick, und unsere Augen trafen sich. Ihr Blick war
scharf und durchdringend, obwohl ihre tief verborgene Unsicherheit deutlich erkennbar war.
Dieser Blick ließ die Zeit für mich stillstehen, zog meine Seele kurz zu sich, nur um sie
freizugeben, als sie lächelte.
Sie stellte die Tasse zurück auf den Unterteller, erhob sich entschieden und kam auf mich zu.
Ich war verwirrt. Mit ihrer eigenartigen, uralten Stimme sagte sie zu mir:
»Komm mit!«
Sie nahm meine Hand und zog mich mit sich, bis ich mich plötzlich mit ihr in einem Zimmer
wiederfand. Das plötzliche Ankommen versetzte mich in einen Zustand völligen Erstaunens!
Das Zimmer war alt, die Wände waren baufällig. Es gab keine Lichtquelle, und doch konnte ich
alles deutlich sehen. Sie stand in der Mitte des Zimmers, hinter ihr ein kleines Fenster mit
geschlossenen Vorhängen. Rechts befand sich ein hölzernes Bett mit einer einfachen weißen
Decke. Der Boden, auf dem sie stand, war mit einem antiken, orientalischen Teppich bedeckt,
der Geschichte verströmte. Von der Decke hing ein Kronleuchter, der ihren Ohrringen ähnelte.
Links stand ein quadratischer Holztisch mit einem Holzstuhl. Auf dem Tisch befand sich ein mit
Wasser gefüllter Krug aus zartem Glas und ein einfacher leerer Becher. An derselben Wand wie
der Tisch stand ein Kleiderschrank aus Holz mit zwei Türen und messingfarbenen Griffen, die
wie Weizenähren geformt waren.
Sie überraschte mich, indem sie fragte: »Was bedeutet Freiheit?«
Ich, noch immer im Schockzustand, antwortete unüberlegt: »Ich weiß es nicht!«
Dann besann ich mich und sagte: »Doch, ich weiß es. Mein kleiner Sohn hat es mir heute
erklärt. Freiheit bedeutet Wind, ein starker Wind, wuuuusch, und Licht.«
Meine Antwort veränderte ihre Mimik. Sie lachte kindlich und drehte sich wie ein Kind im Kreis,
genauso wie mein kleiner Sohn es oft tat. Sogar ihre Gesichtszüge und Bewegungen wurden
kindlich. Sie drehte sich, bis sie das Fenster erreichte, öffnete die Vorhänge, und plötzlich
strömte ein unerwartetes, warmes Licht hinein, das ihr Haar zum Leuchten brachte. Sie öffnete
das Fenster, sodass eine erfrischende Brise hereinkam, die sie dazu einlud, die Augen zu
schließen und tief durchzuatmen. Mit einem Blick signalisierte sie mir, mich auf die Bettkante zu
setzen, was ich auch tat. Sie lief mit tanzenden Schritten auf den Schrank zu und öffnete ihn.
Sofort kehrte ihre verborgene Unsicherheit zurück, und die kindliche Leichtigkeit verschwand.
Der Duft, der den Raum erfüllte, als sie den Schrank öffnete, berauschte mich. Ein Duft, der
meine Seele berührte, der mir den Wunsch gab, sie für immer zu umarmen, ihre Lippen für
immer zu küssen.
Sie sagte zu mir: »Ich muss gehen! Aber ich weiß nicht, was ich anziehen soll!«
Ich blieb sprachlos und staunend.
Sie holte ein traditionelles, damaszener Kleid heraus und zog es im Handumdrehen an. Das
Kleid strotzte vor Leben, als wäre sein Stoff lebendig!
Verlegen, während sie ihr Haar mit ihren Händen richtete, fragte sie mich: »Wie findest du es?«
Ich antwortete: »Wunderschön.«
Sie lächelte höflich, holte ein schwarzes, weites und langes Kleid heraus, das einer Abaya
ähnelte, und zog es samt Kapuze über den Kopf. Sie fragte mich mit ihrem Blick, während sie
die Kapuze über ihren Kopf zog: »Wie findest du es?«
Ich antwortete: »Du wirkst verwirrt … Warum?«
Entschlossen schritt sie zum Fenster, schloss es, zog die Vorhänge zu. Schnell zog sie ihr
einfaches, weißes Baumwollkleid ohne jegliche Details an und sagte zu mir:
»Ich muss gehen. Wir sehen uns bald, einverstanden?«
Ich antwortete: »Einverstanden.«
Sie öffnete die Tür, und ein strahlendes Licht zog mich mit sich. Plötzlich fand ich mich wieder
auf meinem Stuhl im Café, den Kugelschreiber zwischen meinen Fingern, das Blatt vor mir noch
immer leer. Der Kellner kam und fragte mich: »Alles in Ordnung bei Ihnen? Möchten Sie noch
eine Tasse Kaffee?«
Mit einer Handbewegung signalisierte ich, dass ich bezahlen wollte. Ich schaute zum
gegenüberliegenden Tisch, fand ihn jedoch leer. Ich trank den letzten Schluck meines Kaffees,
bezahlte, stand auf und verließ das Café. Die Sonne durchbrach den Schleier einer Wolke,
strahlte mit voller Kraft und schenkte mir Wärme. Eine kühle Brise küsste sanft mein Gesicht,
und mit einem Lächeln auf den Lippen trat ich den Heimweg an.
Wäsche
Es sind Monate vergangen, seit ich meine Wäsche hastig aufgehängt habe, und bis heute ist sie nicht getrocknet. Jedes Mal, wenn sie kurz davor ist, trocken zu werden, wird sie erneut nass … weil jemand versehentlich Wasser darüber geschüttet hat. Es gibt Tage, da ist die Luft feucht, dann kommt Nebel, und an einem anderen Tag fällt die Wäsche kurz vor dem vollständigen Trocknen vom Seil und muss wieder gewaschen werden. Einmal war sie tatsächlich ganz trocken, aber ich war durch ein dringendes Anliegen abgelenkt. Als ich dann endlich zu ihr zurückkam und sie abhängen wollte, war sie aus einem unerklärlichen Grund wieder nass. Jeder denkbare Grund hat meine Wäsche inzwischen durchnässt – nur Regen ist nie auf sie gefallen, während sie auf der alten Leine flattert. Die Leine ist alt und wütend, denn sie gehört hier nicht hin und das ist nicht ihre Aufgabe – sie ist ein altes, verrottendes Stromkabel, das sein Schicksal als Wäscheleine erdulden muss. Ich sitze vor den aufgehängten Kleidern und merke, dass ihre Farben im nassen Zustand viel schöner sind als im trockenen. Mit einem gezwungenen Lächeln akzeptiere ich das. Seit Monaten habe ich mich nicht mehr geduscht, denn ich habe nicht viele Kleidungsstücke. Meine Kleidung hat genug von mir – sie verabscheut mich. Jeden Morgen suche ich nach einer Socke oder einer leichten Jacke, die ich am Abend zuvor abgelegt habe … Meine Kleidung scheint vor mir zu flüchten und sich zu verstecken, und die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Die alte Leine ist zerrissen, ich habe sie geflickt, und die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Die Sonne hat geschwitzt, während sie versuchte, mir mit ihrem Licht zu helfen, aber die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Die Klammern haben sich die Zähne ausgebissen, als sie sich fest an die Wäsche klammerten, um sie zu trocknen, aber die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Ich habe genug davon, und die Welt hat genug davon … aber die Wäsche ist immer noch nicht trocken!
Wäsche
Es sind Monate vergangen, seit ich meine Wäsche hastig aufgehängt habe, und bis heute ist sie nicht getrocknet. Jedes Mal, wenn sie kurz davor ist, trocken zu werden, wird sie erneut nass … weil jemand versehentlich Wasser darüber geschüttet hat. Es gibt Tage, da ist die Luft feucht, dann kommt Nebel, und an einem anderen Tag fällt die Wäsche kurz vor dem vollständigen Trocknen vom Seil und muss wieder gewaschen werden. Einmal war sie tatsächlich ganz trocken, aber ich war durch ein dringendes Anliegen abgelenkt. Als ich dann endlich zu ihr zurückkam und sie abhängen wollte, war sie aus einem unerklärlichen Grund wieder nass. Jeder denkbare Grund hat meine Wäsche inzwischen durchnässt – nur Regen ist nie auf sie gefallen, während sie auf der alten Leine flattert. Die Leine ist alt und wütend, denn sie gehört hier nicht hin und das ist nicht ihre Aufgabe – sie ist ein altes, verrottendes Stromkabel, das sein Schicksal als Wäscheleine erdulden muss. Ich sitze vor den aufgehängten Kleidern und merke, dass ihre Farben im nassen Zustand viel schöner sind als im trockenen. Mit einem gezwungenen Lächeln akzeptiere ich das. Seit Monaten habe ich mich nicht mehr geduscht, denn ich habe nicht viele Kleidungsstücke. Meine Kleidung hat genug von mir – sie verabscheut mich. Jeden Morgen suche ich nach einer Socke oder einer leichten Jacke, die ich am Abend zuvor abgelegt habe … Meine Kleidung scheint vor mir zu flüchten und sich zu verstecken, und die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Die alte Leine ist zerrissen, ich habe sie geflickt, und die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Die Sonne hat geschwitzt, während sie versuchte, mir mit ihrem Licht zu helfen, aber die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Die Klammern haben sich die Zähne ausgebissen, als sie sich fest an die Wäsche klammerten, um sie zu trocknen, aber die Wäsche ist immer noch nicht trocken. Ich habe genug davon, und die Welt hat genug davon … aber die Wäsche ist immer noch nicht trocken!